Was wäre, wenn sich die ganze Welt vegan bzw. vegetarisch ernähren würde?

Was wäre, wenn sich die ganze Welt vegan bzw. vegetarisch ernähren würde – wäre das ein Segen für die Menschheit oder würde sich die Armut in Entwicklungsländer dramatisch verschlechtern?

Auf jeden Fall wird es sehr spannend wie wir im Jahr 2050 9 Milliarden Menschen ernähren werden.

Viel Spaß beim Lesen des Gastbeitrags von Dr. Olaf Zinke (www.agrarheute.com)

 

JAGAHANS

 

 

 

Wie sähe die Landwirtschaft aus, wenn die Welt vegan wäre? Was würde produziert und wie wären die Preise?

 

Fakt ist: Die gefühlte Anzahl der Veganer ist wohl weitaus größer als die wirkliche. Das liegt sicher auch an der Darstellung in den Medien und wohl auch an den aktuellen gesellschaftlichen Trends.

 

Doch heute ist der globale Tag der Vegetarier – und da kann man schon einmal die Frage stellen: Was wäre, wenn alle Menschen vegan wären – oder zumindest vegetarisch – und was bedeutet das für Landwirtschaft?

 

Das Gute ist: Darüber haben sich schon einige Wissenschaftler und Fachleute Gedanken gemacht. Und sie sind zu interessanten Ergebnissen gekommen.

 

Einer der ersten, die sich mit dem Thema befasst haben, war Marco Springmann von der Oxford Universität. Er hat 2016 in einer großen Studie die Folgen einer umfassenden Ernährungsumstellung für Klima, Gesundheit und Umwelt untersucht.

 

 

Eine Fläche so groß wie Afrika?

 

Wenn alle Nutztiere verschwinden würden, stünden etwa 33 Millionen Quadratkilometer (das sind 3,3 Milliarden Hektar) mehr Land zur Bewirtschaftung zur Verfügung. Das ist eine Fläche größer als der gesamte afrikanische Kontinent.

 

 

Also nur einmal angenommen: Der Sonntagsbraten fällt weg, Pommes werden ohne Currywurst gegessen und das Steak wird durch eine Tofuwurst oder ein Stück „pflanzliches Fleisch“ von Beyond Meat ersetzt.

 

Springmann sagt: Wenn alle Nutztiere verschwinden würden, stünden etwa 33 Millionen Quadratkilometer (das sind 3,3 Milliarden Hektar) mehr Land zur Bewirtschaftung zur Verfügung. Das ist eine Fläche größer als der gesamte afrikanische Kontinent. Dabei ist Afrika mit 30 Mio. km² Fläche etwa dreimal so groß wie Europa (10 Mio. km²). Insgesamt wären das 22 Prozent der gesamten Landfläche der Erde.

 

Der deutsche Agrarökonom Harald Grethe hat ausgerechnet, dass schon eine 30-prozentige Fleischreduktion in den OECD-Staaten etwa 30 Millionen Hektar Ackerland freisetzen würde.

 

Natürlich stellt sich sofort die Frage, ob diese Flächen überhaupt für den Anbau pflanzlicher Nahrungsmittel genutzt werden könnten. Springmann sagt, ob sich diese Flächen wirklich für den Anbau von pflanzlichen Nahrungsmitteln eignen, hängt langfristig davon ab, wie viel Arbeit in Bodenmanagement und Bewässerung gesteckt wird.

 

Alternativen wären auch der Anbau von neuen, ressourcenschonenden Biokraftstoffen oder Einrichtungen von Schutzgebieten, um die Biodiversität zu verbessern.

 

 

Preise für Acker und Getreide stürzen ab:

30 Prozent des weltweiten Getreides wird derzeit an Schweine und Geflügel verfüttert. Werden diese 30 Prozent frei, sinkt der Preis.

 

 

 

„Aber das ist zu einfach gedacht“, sagt Martin Hofstetter, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace. „Dass Menschen heutzutage hungern, liegt kaum daran, dass anderswo viel Fleisch gegessen wird. Sondern daran, dass sie zu wenig Kaufkraft haben, ihre Regierung eigennützig oder korrupt handelt oder dass sie durch Wetterphänomene schlechte Ernten einfahren.“

 

Letzteres sei allerdings mit dem Klimawandel verknüpft. Und es gibt noch einen wichtigen Aspekt: Würde die Tierproduktion wegfallen, würden nämlich sowohl die Preise für das Agrarland als auch für Getreide und andere pflanzliche Produkte erheblich sinken.

 

„30 Prozent des weltweiten Getreides wird derzeit an Schweine und Geflügel verfüttert“, sagt Hofstetter. „Werden diese 30 Prozent frei, sinkt der Preis – wenn auch nicht grenzenlos, denn wenn Getreide im Vergleich zu den Energiepreisen zu billig wird, kann es auch zum Heizen genutzt werden.“

 

Besonders die sehr armen Bewohner großer Städte in den Entwicklungsländern würden von einem niedrigeren Getreidepreis profitieren. „Denn diese Menschen essen ohnehin wenig Fleisch und könnten sich Brot, Reis oder Maisfladen dann besser leisten.“

 

 

Zwei Drittel der Erlöse kommen aus der Tierproduktion

In Deutschland stammen fast zwei Drittel aller landwirtschaftlichen Erlöse aus der Produktion von Milch und Fleisch. Davon etwa 24 Prozent aus der Milchproduktion.

 

 

 

Für die Landwirte – sowohl in Europa als auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern – wäre eine solche Preisentwicklung jedoch sehr nachteilig – zumal die Einnahmen aus der Tierproduktion ja wegfallen würden. In Deutschland stammen fast zwei Drittel aller landwirtschaftlichen Erlöse aus der Produktion von Milch und Fleisch. Davon etwa 24 Prozent aus der Milchproduktion. Nicht viel anders dürfte die Erlös-Relation im Einzelhandel sein.

 

Auch Andrew Jarvis vom Internationalen Zentrum für Tropische Agrarforschung in Kolumbien sagt, ein Wegfall der tierischen Erzeugung wäre ein zweischneidiges Schwert: „In entwickelten Ländern hätte Vegetarismus sicher eine Menge positiver Umwelt- und Gesundheitsfolgen. In den Entwicklungsländern würde er die Armut jedoch verschlimmern.“ Denn die Nutztierhaltung trägt in vielen ärmeren Ländern wesentlich mit zum Einkommen bei.

 

Und das ist nicht das letzte Problem: Selbst wenn man wollte, könnte man nicht alle Weideflächen in Ackerland verwandeln. Der Grund: „Nicht selten nutzen Rinder auch Flächen, die der Mensch gar nicht anders bewirtschaften kann“, sagt Hofstetter. „Auch in bestimmten Höhenlagen lässt sich kein Getreide mehr anbauen, und manche Hanglagen sind zu steil, um sie überhaupt als Acker zu bewirtschaften.“

 

Wollte man auf diesen Flächen alternativ Milchkühe halten, stände man vor neuen Schwierigkeiten. Denn: Zum einen werden auch die Milchkühe irgendwann geschlachtet – in Deutschland im Schnitt nach drei Jahren. Und zur Milcherzeugung müssen die Kühe jedes Jahr ein Kalb bekommen. Davon wäre jedoch eines männlich und deshalb nur zur Fleischerzeugung geeignet.

 

 

Globale Entwicklung geht genau in die andere Richtung

Um den für 2050 erwarteten Nahrungsbedarf von 9 Mrd. Menschen zu decken, müssen nach FAO-Prognosen global 70 Prozent mehr Lebensmittel (pflanzlich und tierisch) produziert werden als heute. Von 1970 bis 2009 verdreifachte sich nach FAO-Angaben die Fleischproduktion von knapp über 100 Mio. Tonnen auf etwa 300 Mio. Tonnen.

 

 

 

In Bezug auf den Klimawandel hat das Forscherteam um Marco Springmann errechnet, dass bei einer Befolgung der Ernährungsempfehlungen der FAO (also mehr pflanzliche Nahrung und deutlich weniger Fleisch), die nahrungsspezifischen Emissionen weltweit um 29 Prozent reduziert werden könnten. Eine vegetarische Ernährung könnte die globalen Emissionen um 63 Prozent verringern und eine vegane Ernährung würde einen Rückgang der Emissionen um 70 Prozent bedeuten – jedenfalls rein rechnerisch.

 

Die wirkliche Entwicklung geht aber in eine völlig andere Richtung: Eine weiter wachsende Bevölkerung und zunehmender Wohlstand sorgen dafür, dass der Fleischverbrauch weiter steigt. Um den für 2050 erwarteten Nahrungsbedarf von 9 Mrd. Menschen zu decken, müssen nach FAO-Prognosen global 70 Prozent mehr Lebensmittel (pflanzlich und tierisch) produziert werden als heute.

 

Von 1970 bis 2009 verdreifachte sich nach FAO-Angaben die Fleischproduktion von knapp über 100 Mio. Tonnen auf etwa 300 Mio. Tonnen. Anteilmäßig ist der Zuwachs in China und Asien am stärksten. Doch auch in den USA gehen OECD-Berechnungen von einer weiter steigenden Produktion vor allem von Geflügel und Schweinefleisch aus.

 

In Europa stagniert die Erzeugung bzw. geht moderat zurück. Doch weltweit nehmen die Produktion und der Konsum von Fleisch weiter zu – daran können auch die Trends zu vegetarischer oder veganer Ernährung oder auch zu „Kunstfleisch“ aus der Retorte oder aus pflanzlichen Produkten, wenig ändern. Denn diese Trends beschränken sich vor allem auf die westliche Welt und auch hier nur auf eine eher kleine Gruppe.

 

Quellen:

www.agrarheute.com

Foto: www.pixabay.com

 

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